Seit über zehn Jahren verleiht die VR-Bank Landsberg-Ammersee den VR-Sozialpreis. Sie will damit vor allem das besondere gesellschaftliche Engagement – das oft im Verborgenen stattfindet – für eine breitere Öffentlichkeit in ihrer Region sichtbar machen. Exemplarisch zeigt die Bank damit Jahr für Jahr, worauf es vor Ort ankommt, was zählt, und spornt ganz nebenbei die Menschen in ihrer Region an, sich miteinander und füreinander zu engagieren.
In der Einrichtung Regens Wagner in Holzhausen werden täglich rund 600 Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Lern-, geistiger und Mehrfachbehinderung begleitet. Sie gehen hier zur Förderschule, in die Tagesstätte, lassen sich ausbilden und arbeiten in den Magnus-Werkstätten oder besuchen die Förderstätte und wohnen in unterschiedlichen Wohnformen. Der Gebäudekomplex in Holzhausen liegt inmitten grüner Wiesen und Felder, unweit von Landsberg am Lech.
Eine der Bewohnerinnen ist Angelika Röhling – sie arbeitet als Beschäftigte der Magnus-Werkstätten seit vielen Jahren in der Biolandwirtschaft und ist unter anderem für die Kühe zuständig, wie sie stolz berichtet. Heute aber hat ihr Chef ihr freigegeben, weil sie erzählen soll: von der Kunst, von ihrem Hobby, das ihr so viel gibt. „Das ist Mondgesicht. Das ist Herr Abfalleimer. Das ist Frau Birne und das ist Herr Kartoffel“, beschreibt Angelika Röhling das Bild, das auf einer Staffelei vor ihr zu sehen ist. „Gequetschte Kartoffel“, sagt sie dann noch und schmunzelt. Sie erklärt danach, wie ihre Bilder in der Malwerkstatt entstanden sind – der bisher letzten von zehn, die verschiedene Künstler in der Einrichtung Anfang 2021 angeboten haben. „Erst haben wir da so einen Kreis gemacht, dann ein Kreuz gemacht und dann haben wir genau geschaut, wo die Augen sind“, sagt sie und fährt mit dem Finger die Linien nach. Thema des Workshops war „Das Gesicht der anderen“, es ging um Menschen, ihre Proportionen und ihre Besonderheiten. Angelika Röhling erinnert sich noch genau an den Tag, und auch an die Ausstellung, bei der sie sogar die kurze Eröffnungsansprache halten durfte.
Abtauchen in eine andere Welt
Wie wichtig die Kunst und die Beschäftigung damit für Menschen mit Behinderung sind, führt Iris Duttke aus, die die Malworkshops mit begleitet hat und als Wohnbereichsleiterin bei Regens Wagner auch eine besondere Ansprechperson für Angelika Röhling ist. „Sie können abtauchen in eine ganz andere Welt, in der sie ihre Farben finden, wo sie sich ohne Worte ausdrücken können und Momente der eigenen Achtsamkeit erleben“, sagt die erfahrene Diplom-Sozialpädagogin. „Das sind wunderschöne Momente der Entspannung, in denen sie zu sich kommen können, vielleicht auch ein neues Hobby entdecken und sich auf jeden Fall einfach ausschalten von der Welt und von den Sorgen, die sie vielleicht an dem Tag oder in der Woche umgeben.“
Für Iris Duttke zeigt die Malwerkstatt, was in den Menschen mit Behinderungen an Kraft und Kreativität steckt, bei jedem einzelnen anders, aber dennoch für alle sinnvoll und Früchte tragend. Das merke man auch im Verlauf eines solchen Tages: „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kannten sich teilweise noch nicht untereinander und je länger der Tag gedauert hat und die Stunden vergangen sind, desto konzentrierter konnten sie arbeiten. Sie hätten da fast eine Stecknadel fallen hören können“, erinnert sie sich. Ulrich Hauser, der bis zu seiner Pensionierung das Haus und nun den Verein Freunde und Förderer von Regens Wagner Holzhausen leitet, hat das ebenso beobachtet. Deswegen ist dem Förderverein, der von Eltern gegründet wurde, ein solches Projekt auch so wichtig. „Wir haben zwei Schwerpunkte: Zum einen möchten wir Mittel beschaffen, um Dinge zu ermöglichen, die mit dem normalen Budget sonst nur schwer möglich wären. Zum anderen ist es uns ein Anliegen, Veranstaltungen gemeinsam mit Menschen mit Behinderung durchzuführen“, sagt Hauser. Dafür müssen er und seine Mitstreiter Geld auftreiben. Der VR-Sozialpreis der VR-Bank Landsberg-Ammersee, den Regens Wagner in diesem Jahr für sein Engagement mit der Malwerkstatt gewann, kam deswegen genau richtig: „Er bedeutet für uns, dass unsere Kunstwerkstatt Anerkennung erfährt, wir Öffentlichkeitsarbeit machen können und auch die nächsten Veranstaltungen finanziert sind“, sagt Ulrich Hauser.
Drei Initiativen ausgezeichnet
Die Malwerkstatt ist eine von drei Initiativen, die den Sozialpreis der Bank gewonnen haben. Ausgezeichnet wurden zudem die Kindertrauergruppe Momo des Hospizvereins Landsberg, die sich um Kinder und Jugendliche kümmert, die einen geliebten Menschen verloren haben, und die Landsberger Ortsgruppe der Wasserwacht, die mit ihrem Schulschwimmen seit 45 Jahren die Kinder in der Region mit spielerischen Wettkämpfen zum Schwimmen motiviert. Dabei hat sich der VR-Sozialpreis über die Jahre immer weiterentwickelt.
Entstanden ist er 2010. „Damals gab es sehr viel Unterstützung für Themen wie Kultur oder Sport, was aber fehlte, war die Anerkennung von Menschen, die sich über das übliche Maß hinaus im Ehrenamt engagieren“, sagt Stefan Jörg. Für den Preis bewarben sich damals zehn Initiativen, die mit einem ersten, zweiten und dritten Preis ausgezeichnet wurden. Der Anfang war gemacht, und der Bedarf war ebenfalls da. „Wir leben in einer sehr wohlhabenden Region mit hoher Kaufkraft, aber man unterschätzt immer wieder, wie viel Leid und Armut es doch gibt“, sagt der Vorstandsvorsitzende der VR-Bank Landsberg-Ammersee. „Als Bank, die sich hier gut entwickelt, wollten wir etwas zurückgeben.“
„An der richtigen Stelle wirken“
Stefan Jörg, der 2011 ins Unternehmen kam, entwickelte den Preis mit seinem Team weiter. „Wir haben zum Beispiel die Jury anders besetzt, um viel stärker alle gesellschaftlichen Gruppen einzubeziehen – mit Führungspersönlichkeiten aus Politik, Sport, Schulen, Kultur, Landwirtschaft, Wirtschaft und Kirche.“ Außerdem wird nicht veröffentlicht, wer welchen Anteil an dem gesamten Preisgeld bekommt, das im Jahr 2021 bei 7.200 Euro lag. „Uns geht es darum, an der richtigen Stelle mit unserem Geld zu wirken, dort wo es eben am meisten erreicht.“ Von den 248 über die Jahre für den Preis eingereichten Projekten wurden 34 prämiert – insgesamt schüttete die Bank ein Preisgeld von 62.500 Euro aus.
Ebenso bedeutsam sind für Stefan Jörg aber auch die kleinen Aktivitäten, die er sich hier bei Regens Wagner genau anschaut. Angelika Röhling erzählt ihm dabei, warum sie so motiviert ist. „Ich habe schon früher gern gemalt und seit dem Workshop habe ich das verfolgt, das macht jetzt richtig Spaß“, sagt sie. Sie findet auch viel Bestätigung, sagt sie noch, „eine Freundin hat gesagt, mach halt mal, du schaffst es. Und mein Arbeitskollege hat das auch gesagt, das schaffst du.“ Stefan Jörg hört genau zu und schaut sich auch alle Bilder an, die in der Malwerkstatt entstanden sind. „Mich begeistert bei diesen Workshops, dass die Menschen hier ausdrücken können, was sie vielleicht nicht in Worte fassen können. Und wir wissen ja alle, dass Malen eine Art Therapie sein kann und auch in der Medizin oder in der Psychologie eingesetzt wird“, sagt er. Deswegen ist der Preis für ihn so besonders wichtig. Außerdem werden dank des Wettbewerbs auch diejenigen ausgezeichnet, die „sich ja in der Regel im Stillen engagieren, sehr stark über das übliche Maß hinaus“, erklärt der Bankvorstand. „Dieses Engagement hatte lange keine Bühne. Der VR-Sozialpreis gibt sie ihnen nun, um sie zu würdigen und vielleicht auch, um Nachahmer zu finden.“