Mit einer groß angelegten Coaching-Initiative hilft die Volksbank Chemnitz jungen Talenten der Region, ihre Neigungen, Stärken, Wünsche zu entdecken, um sie dann mit den Unternehmen der Region zusammenzubringen. So hilft sie jungen Menschen beim Sprung ins Berufsleben und unterstützt ihre Region dabei, dem Fachkräftemangel zielstrebig und effizient entgegenzuwirken. Die Bank vereint damit Nachwuchsförderung, Wirtschaftsförderung und die Stärkung der Region auf beeindruckende Art und Weise.

Claudia Kolloch legt einen Stapel Karten auf den Tisch und fächert diese auf. „Lasst uns mit einer kleinen Übung beginnen: Wählt bitte zwei verschiedene Bilderkärtchen aus: Eine die eure Persönlichkeit widerspiegelt, und eine, die zeigt, wo ihr euch beruflich seht.“ Lucy nimmt sich Zeit, die Bilder zu betrachten. Schließlich greift sie nach einem Foto von einem sonnigen Strand und einem weiteren, das eine lachende Frau in Geschäftskleidung in einer Gruppe zeigt. Die 16-Jährige lächelt. „Ich bin ein Sommermensch, ich liebe das Meer. Und beruflich? Ich denke, ich will mit Menschen arbeiten.“ Niclas greift sich ein Foto mit Lebkuchen, ein anderes von einer Kirmes. „Ich liebe den Geruch von gebrannten Mandeln und das Gewusel auf einem Jahrmarkt. Aber was das mit meinem künftigen Beruf zu tun hat? Keine Ahnung.“ Der dritte Jugendliche hebt zwei Bilder hoch: eine dunkle Höhle und ein offenes Buch. „Ich mag es, Dinge zu entdecken, Rätsel zu lösen“, sagt Davies. „Vielleicht passt etwas in diese Richtung zu mir?“
Bis zu 1.000 Jugendliche jährlich
Die erste Übung, auf die noch eine ganze Reihe weiterer folgen werden, ist vorbei. In einem Seminarraum der Volksbank Chemnitz hat die kleine Gruppe gerade den ersten Schritt gemacht, sich beruflich zu orientieren. Claudia Kolloch nickt zufrieden, während sie die zweite Übung vorbereitet. Es geht darum, auf einem großen Plakat verschiedene Stärken und Schwächen, Wünsche und Träume auszufüllen. Denn auch die gehören dazu, wenn junge Menschen passende Berufsfelder erkunden sollen. Der intensive Prozess ist Teil der Initiative „Talenteschmiede bewegt“, die die Volksbank Chemnitz 2018 in die Region geholt und weiterentwickelt hat. Bis zu 1.000 Jugendliche durchlaufen das Projekt jährlich. „Wir unterstützen junge Menschen dabei, sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln. Dazu wollen wir die individuelle Schnittmenge aus Talenten, Interessen und Kompetenzen herausfinden“, erklärt Claudia Kolloch den Ansatz. Sie arbeitet bei der Volksbank als Trainerin unter anderem die Auszubildenden ein und fungiert bei „Talenteschmiede bewegt“ als Mentorin. Insgesamt gibt es ein knappes Dutzend Coaches in der Bank. Sie zählen zu dem sechzehnköpfigen Mentorenteam.
Frühzeitig Perspektiven eröffnen
Für Claudia Kolloch steht dabei nicht im Mittelpunkt, Nachwuchs für die eigene Organisation zu finden. „Das passiert vereinzelt. Uns geht es aber vorrangig um etwas anderes“, sagt die Bankkauffrau und Betriebswirtin, die die Workshops wie ihre Kolleginnen und Kollegen während ihrer Arbeitszeit anbietet. „Wir wollen den jungen Menschen frühzeitig Perspektiven in der Region Chemnitz-Zwickau-Erzgebirge aufzeigen und gleichzeitig die Unternehmen bei der Herausforderung des Fachkräftemangels unterstützen.“ Die Volksbank arbeitet dafür eng mit rund 30 Partnerschulen und regionalen Unternehmen zusammen, die insgesamt rund 200 Praktikumsplätze anbieten. Eine enge Verbindung in die Region schafft auch die potential.akademie eG, eine Genossenschaft für kooperative Personal-, Führungskräfte- und Kulturentwicklung, die die Bank mitgegründet hat und zu der die Initiative „Talenteschmiede bewegt“ heute gehört.
Im Workshop ist die Stimmung locker, sehr nah dran an den Jugendlichen. Claudia Kolloch erklärt die nächste Übung mit ihren eigenen Wünschen: „Ich spiele Handball und wollte mal Nationalspielerin werden. Das hat leider nicht geklappt“, sagt sie lachend. „Aber auch so etwas gehört dazu. Und je mehr ihr aufschreibt, desto besser.“ Im Laufe des Vormittags arbeiten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops weiter an dem Programm, dessen zentrales Element der Gallup StrengthsFinder ist, mit dessen Hilfe die jeweils fünf stärksten Talente der Teilnehmenden ermittelt werden. „Diese Stärken sind euer Kompass“, erklärt Claudia Kolloch den Jugendlichen, die am Ende des Tages gut gerüstet sind und mit drei bis fünf persönlichen Berufsvorschlägen bereit sind für den Start in die Ausbildung oder das Studium.
Von der Talentschmiede zum Tech-Dienstleister
Einige Kilometer entfernt, in den Räumen der Firma FDTech, arbeitet einer, der „Talenteschmiede bewegt“ durchlaufen und mit ihrer Hilfe auch Inspiration für seine Karriere gefunden hat. Raziel Kretschmer absolviert ein Duales Studium der technischen Informatik an der Dualen Hochschule Sachsen in Glauchau. Für den praktischen Teil arbeitet er bei dem 2017 gegründeten Entwicklungsdienstleister für die Autoindustrie, der sich mit seinen 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter anderem auf das automatisierte Fahren und Fahrerassistenzsysteme spezialisiert hat.
Der 19-Jährige ist gerade mit einer Halterung für einen Ultraschallsensor beschäftigt, die er mit einem 3-D-Drucker produziert. Anschließend befestigt er diese an einem Modellauto, das er danach auf einer Teststrecke ausprobiert. „Der Sensor muss Hindernisse erkennen. Wenn das klappt, wird ein Signal an den Motor gegeben, der seine Laufrichtung wechselt und das Auto automatisch wendet“, erklärt Raziel Kretschmer. Er lernt so eine Technologie kennen, die künftig in echten Autos eingesetzt werden kann. Für seine Ausbildung setzt er ein solches Projekt komplett um, von der Programmierung über die Produktion der Teile bis zu den Tests – zum Schluss präsentiert er dann seine Ergebnisse im Ausbildungsteam.
Raziel Kretschmer ist begeistert vom Dualen Studium, das ist sofort zu merken. Auf dem Weg dorthin hat ihm „Talenteschmiede bewegt“ sehr geholfen. „Ich wusste, dass ich etwas mit Technik machen will, aber der Workshop hat mir geholfen, konkrete Ideen zu entwickeln“, erzählt er. „Für mich war es wichtig, nicht nur in der Theorie zu lernen, sondern auch direkt etwas in der Praxis umsetzen zu können.“
Wertvolle Partnerschaft
Silvio Woltmann teilt die Begeisterung. Der Mitgründer von FDTech, der auch als Ausbildungsleiter tätig ist, sieht die potential.akademie eG mit ihrer Initiative „Talenteschmiede bewegt“ als wertvolle Partnerin. „Die Bewerber, die von dort kommen, haben sich schon intensiv mit ihren Stärken beschäftigt. Das macht den Auswahlprozess viel einfacher“, sagt Woltmann, der gemeinsam mit zwei Kollegen für den Nachwuchs zuständig ist. Für ihn und FDTech ist das wichtig, der Fachkräftemangel ist in der Tech-Branche deutlich spürbar. „Es gibt immer weniger Absolventen in MINT-Fächern“, sagt Woltmann. „Deshalb ist es so wichtig, junge Menschen früh für Technik zu begeistern, die auch Talent dafür haben und Interesse daran zeigen – und dabei hilft uns ‚Talenteschmiede bewegt‘.“