Die Volksbank Ulm-Biberach hat schon 2012 begonnen, Nachhaltigkeit in ihrer Strategie zu verankern. Wie sie es umsetzt, welche Erfolge sie damit hat und warum nachhaltiges Handeln und wirtschaftlicher Erfolg untrennbar zusammengehören, diskutieren Vorstand Alexander André Schulze, Lisa Wittmann, Referentin Unternehmensentwicklung, und Alexander Hösch, Leiter Geschäftsfeld Zentrale Vertriebsmanagementfunktionen.
Herr Schulze, seit ein paar Jahren redet jeder über Nachhaltigkeit. Was bedeutet das Thema für Sie?
Schulze: Nachhaltigkeit heißt für uns, dass wir die genossenschaftliche Idee und die Verantwortung, die wir für die Region haben, leben und spürbar Mehrwerte schaffen. Wir sind stolz darauf, dass wir schon 2012 begonnen haben, das Thema konsequent in unsere Strategie zu implementieren. Auch damals gab es schon heiße Sommer und es war klar, dass etwas passieren musste. Wir haben damals soziale, ethische, ökologische, aber auch ökonomische Ziele in unserer Strategie verankert und auch veröffentlicht.
War das ein einfacher Prozess?
Hösch: Nicht immer. Zum Start sind wir schon kritisch beäugt worden. Unsere Kunden, aber auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fragten sich, ob es um Marketing ging, um Greenwashing oder auch ob es nur eine einmalige Aktion war. Das lag natürlich auch daran, dass das Thema in der Gesellschaft noch nicht so verankert war. Heute ist es in der Gesellschaft angekommen, in der Politik, in der Regulatorik. Die Rahmenbedingungen haben sich enorm verändert. Und wir erhalten viele positive Rückmeldungen von Kunden, Partnern und aus der Gesellschaft, die uns zeigen, dass wir den richtigen Weg gegangen sind.
Viele Unternehmen haben sich zwar Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben, aber dann wenig getan. Wie sind Sie diese Aufgabe angegangen?
Hösch: Wir haben den Fokus zu Beginn stark auf unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelegt. Sie galt es im ersten Schritt mitzunehmen und zu überzeugen, da sie die Ideen ja auch nach außen tragen sollten. Für uns war es ganz wichtig, einen langfristigen Prozess anzustoßen und nicht kurzfristig etwas zu implementieren und danach wieder zu begraben. Wir haben auch interessante Gespräche mit Interessengruppen wie dem BUND geführt. Solchen Organisationen geht das natürlich viel zu langsam, weil sie große Erwartungen an uns haben. Uns war es daher auch immer wichtig, dass wir zeigen: Wir machen uns auf die Reise und entwickeln uns Schritt für Schritt weiter.
Was haben Sie genau gemacht, um nachhaltiger zu werden?
Wittmann: Seit 2016 versorgen wir zum Beispiel unsere 28 Geschäftsstellen zu 100 Prozent mit Ökostrom lokaler Stromanbieter. Das ist ein wichtiger Faktor, um klimaneutral zu werden. Intern setzen wir konsequent auf fair gehandelte und biologisch erzeugte Produkte – etwa bei Lebensmitteln oder Büromaterialien – und schauen dabei darauf, dass sie von lokalen Unternehmen bezogen werden. Das erreichen wir bei Büromaterialien schon zu 90 Prozent. So stärken wir auch die regionale Wirtschaft.
Sie erwähnen die Klimaneutralität: Wie weit sind Sie damit?
Schulze: Wir haben unsere Bank im Jahr 2020 für das vorangegangene Geschäftsjahr klimaneutral gestellt. Dabei folgen wir dem Grundsatz „Reduktion vor Kompensation“, was wir unter anderem durch unsere Projekte erreichen. Der nicht vermeidbare Teil unseres CO2-Ausstoßes wird dann kompensiert. Wir liegen so 20 bis 30 Jahre vor den deutschen oder europäischen Klimaneutralitätszielen.
Wittmann: Zum Prozess gehörte eine detaillierte Analyse, die wir nun jährlich machen. Wir haben 2020 für das Vorjahr alle Emissionsfaktoren, die wir als Bank ausstoßen, bilanziert. Dabei haben wir alle direkten, indirekten und mobilen Emissionen berücksichtigt, unter anderem die Energienutzung, die Anschaffung elektronischer Geräte, die Dienstreisen und Arbeitswege der Mitarbeiter sowie die Emissionen durch interne und externe Veranstaltungen.
Was folgte daraus?
Wittmann: Bei der Bilanzierung ist unszum Beispiel aufgefallen, dass der tägliche Weg zur Arbeit ein wichtiger Stellhebel für den CO2-Ausstoß ist. Daher haben wir uns wie in den Jahren zuvor der AOK-Aktion „Mit dem Rad zur Arbeit“ angeschlossen und die Kolleginnen und Kollegen dazu aufgefordert, das Auto auch einmal stehen zu lassen. Im Jahr 2020 konnten wir so schon knapp vier Tonnen CO2 einsparen. Das ist aber keine einmalige Sache gewesen: Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen immer noch per Rad zur Bank. Außerdem haben wir seit 2019 unseren kompletten Fuhrpark klimaneutral gestellt und setzen dabei auch auf E-Mobilität und Fahrräder, die unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den kürzeren Anfahrtswegen zu Kunden nutzen können.
Sie sprechen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Wie haben Sie das Thema Nachhaltigkeit intern verankert?
Schulze: Wichtige Meilensteine waren für uns, dass wir Menschen in der Bank haben, die sich nur mit diesem Thema beschäftigen, dazu gehören etwa unsere Nachhaltigkeitsmanagerin oder unsere Gesundheitsmanagerin, die den Prozess begleiten.
Wittmann: Ich beobachte auch, dass sich jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter verantwortlich fühlt und die Botschaft in die Region trägt. Das macht Nachhaltigkeit erlebbar und uns auch vor Ort glaubwürdig.
Gibt es dafür ein Beispiel?
Wittmann: Seit 2012 führen wir jährlich eine Baumpflanzaktion in unserem Geschäftsgebiet durch. Kundinnen und Kunden können gemeinsam mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Bäume pflanzen, die wir zur Verfügung stellen – das waren bisher mehr als 8.700. Weil wir das im Corona-Jahr 2020 nicht gemeinsam machen konnten, durften sich die Kundinnen und Kunden ihre Obstbäume in der Geschäftsstelle abholen und dann im heimischen Garten pflanzen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter pflanzten zudem noch einige Bäume auf öffentlichen Flächen. Sie halfen auch in Schulen und Kindergärten beim Aufbau der im Rahmen der VR-Gewinnsparaktion „Garten3“ vergebenen Hochbeete. Zwei dieser Beete stehen außerdem auf der Dachterrasse unseres Hauptsitzes hier in Ulm. Sie werden zusammen mit den beiden Bienenvölkern von unseren Kolleginnen und Kollegen gepflegt und gehegt.
Lassen Sie Ihr Engagement auch von außen überprüfen?
Schulze: Wir lassen bereits seit mehreren Jahren unsere Eigenanlagen sowie seit 2019 unsere Vermögensverwaltung durch eine der weltweit führenden Rating-Agenturen im nachhaltigen Anlagesegment, die ISS ESG, prüfen. Dabei erreichten wir immer den sogenannten Prime-Status. Damit dokumentieren wir glaubhaft, dass wir es ernst meinen. Das gilt auch und besonders für unser Geschäft im Anlage- und Kreditbereich.
Welche Standards legen Sie dabei an?
Hösch: Wir haben sogenannte No-Gos definiert, also Geschäfte, die wir nicht machen wollen, wenn es um Kredite an Unternehmen geht oder um Anlagen für unsere Kunden. Dazu gehören Themen wie Lebensmittelspekulation, Korruption oder Waffen. Wir haben zum Beispiel einen sehr klaren Prozess für Titel, die wir in unsere Vermögensverwaltung mit aufnehmen. Mir ist aber auch wichtig, dass wir beispielsweise nicht nur in rein grüne Unternehmen investieren, sondern auch in die, die sich nachweislich auf den Weg gemacht haben: Dort ist der Effekt für die Umwelt natürlich viel größer.
Schulze: Eine Leitlinie für uns ist die WIN-Charta, die das Land Baden-Württemberg als Instrument für nachhaltig wirtschaftende kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) entwickelt hat. Mit der Unterzeichnung im Jahr 2017 haben wir ein klares Bekenntnis zu unserer ökonomischen, ökologischen und sozialen Verantwortung abgegeben.
Wo kann es aus Ihrer Sicht noch hingehen?
Hösch: Wir wollen ökonomisch so stark bleiben wie heute, um gesellschaftlich und in der Umwelt stärker wirken zu können. Das bedeutet auch, dass wir uns durchaus vorstellen können, künftig nicht mehr zwangsläufig nur eine Genossenschaftsbank zu sein, sondern vielleicht eine Genossenschaft mit Bank: indem wir gesellschaftliche Knappheiten analysieren und uns da engagieren, etwa beim bezahlbaren Wohnraum, aber auch bei Pflegeplätzen oder Kitas.
Schulze: Für uns als Bank ist die stetige Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit sehr positiv. Eine aktuelle Befragung unseres genossenschaftlichen Fondsspezialisten Union Investment besagt zum Beispiel, dass über 60 Prozent der Kunden nachhaltig investieren wollen. Nachhaltigkeit ist also auch ein Differenzierungsmerkmal, und wenn der wirtschaftliche Erfolg stimmt, können wir auch weiterhin nachhaltig für die Region wirken.