Die Dortmunder Volksbank wirkt seit Jahren ganz gezielt, mit Leidenschaft und viel Einsatz an der Ausrichtung und Durchführung des Literaturwettbewerbs in ihrer Stadt mit. Sie lässt Worte wirken und Töne tanzen. Zugleich gibt sie den jüngeren Generationen einen wichtigen Impuls für ihre Kreativität und ihr Sprachbewusstsein. Inmitten von immer reduzierteren und schnelleren Informationswelten weckt sie bei Kindern und Jugendlichen so den Spaß am Texten und schärft die Sinne für die Kraft von Erzählungen.
Eine große, bodentiefe Bühne, schwarzer Boden, schwarze Wände. Lina geht auf das Mikrofon zu, das dort aufgebaut ist. „Das ist doch viel zu hoch“, sagt die Siebenjährige, während sie von unten an dem Mikrofonständer hochschaut. Bianka Lammert lächelt, während sie auf Lina zugeht. „Das ist doch das kleinste Problem“, sagt die Schauspielerin, die am Kinder- und Jugendtheater Dortmund angestellt ist. Sie schraubt kurz die Stange los, fährt diese ein wenig ein und befestigt sie wieder. „So, nun passt es, oder, Lina?“ Das Mädchen nickt und legt gleich los. „Lina auf Reise“, liest sie die Überschrift vor, dann:
„Linas Schwester liebte die Reisen sehr.
Lina auch. Die beiden haben auch viel Spaß.
Die Fahrt war nur kurz …
… angekommen.
Aber was war denn das?
Der Strand war ganz kaputt.
Lina hatte Zauberkräfte. Sie war eine Fee. In der Nacht schlichen sie beide an den Strand. Denn die beiden mussten ihn in Ordnung machen. Das können sie. ‚Enemene‘ hilft. Sie brachten den Strand in Ordnung. Ende.“
Enemene, Radschläge
Bianka Lammert lässt das Mädchen die kurze Geschichte zu Ende lesen, erst dann sagt sie etwas. „Super, das hast du sehr gut gelesen“, ruft sie, „es sind nur ein paar Kleinigkeiten, die du noch verändern könntest.“ Lina schaut sie an, dreht sich um, macht zwei Radschläge und kommt zurück – ein bisschen Bewegung zum Entspannen. „Was denn, was kann ich anders machen?“, fragt sie dann. „Du bist mit der Zeit immer leiser geworden, aber man muss dich ja auch in der letzten Reihe verstehen“, sagt Bianka Lammert, während sie selbst zur Illustration etwas lauter wird. „Warte, wir schauen uns noch mal an, was wir für Zeichen an den Text geschrieben haben.“ Die beiden legen sich spontan auf den Boden, studieren den Zettel mit dem Text. „Mach hier mal einen Haken hin, dann weißt du, dass du mit der Stimme hoch gehen sollst“, sagt Bianka Lammert, „und das Wort ,angekommen‘, das sollst du besonders betonen.“ Nach drei Minuten kommt der zweite Durchgang, dieses Mal klappt es noch viel besser.
700 Autorinnen und Autoren
Die Probe in dem Raum des Kinder- und Jugendtheaters Dortmund ist der letzte Schritt vor dem großen Auftritt. Lina und rund 700 weitere Kinder und Jugendliche der Stadt haben beim Literaturwettbewerb der Dortmunder Volksbank mitgemacht, den die Bank zum 27. Mal veranstaltet hat – dieses Mal mit dem Thema „Magisch“. Ein Teil von ihnen wird die eigene Geschichte ein paar Tage später vor 400 Menschen in der Aula des Immanuel-Kant-Gymnasiums vortragen. Zudem werden unter den teilnehmenden Schulen drei Schreibwerkstätten-Workshops verlost. Die Gewinnerinnen und Gewinner bekommen Preise. Die besten Texte werden in einem Buch zum Wettbewerb veröffentlicht.
Sprache entdecken, Stimme finden
Andrea Mertmann ist schon voller Vorfreude. Die Marketing-Mitarbeiterin der Dortmunder Volksbank ist heute auch ins Theater gekommen, um sich die Probe anzuschauen. Sie betreut das Projekt seit Jahren und ist immer wieder begeistert, wie viel Kreativität in die Beiträge fließt. Das ist auch Sinn und Zweck: „Wir unterstützen den Literaturwettbewerb, weil wir davon überzeugt sind, dass Bildung und kreative Entfaltung wichtig für die Entwicklung der Kinder sind“, sagt Andrea Mertmann, die auch in der Jury des Wettbewerbs sitzt. „Den Kindern geben wir die Möglichkeit, ihre sprachlichen Fähigkeiten zu entdecken, ihre Stimme zu finden und so ihre eigene Geschichte schreiben zu können“, erklärt die Bankmitarbeiterin, die für den Wettbewerb eng mit den Schulen der Stadt zusammenarbeitet.
Etwas später kommt Paula in den Proberaum, sie hatte noch länger Schule. Die 14-Jährige ist ebenfalls eine der Gewinnerinnen und wird ihren Text auf der großen Bühne vortragen. Bianka Lammert bezieht sie direkt mit ein, macht gemeinsam mit ihr und Lina Körperübungen, um sich warm zu machen. Die drei wackeln mit den Oberkörpern, strecken sich in die Höhe, lassen sich dann nach unten zusammenfallen. „Kommt ganz langsam nach oben, den Kopf richtet ihr als allerletztes auf, atmet durch die Nase ein, saugt euch mit Luft voll“, leitet Bianka Lammert die beiden Kinder an. Dann liest Paula ihren Text vor.
Tanzende Töne
„Ihre Finger berührten die kalten Tasten, wie lange auf ihnen gespielt wurde, konnte sie nicht sagen. Sie drückte die Tasten in einem bestimmten Rhythmus. Daraus wurden Töne, die sich zu einer Melodie formten, die den ganzen Raum erfüllte. Die Töne tanzten und drehten, hüpften und sprangen im Raum herum. Am Ende würde jeder sagen, dass dieses Mädchen mit der Hilfe eines Klaviers etwas Magisches erschaffen hatte.
Egal, ob Gabe, Melodie oder Ort,
etwas Magisches trägt uns weit, weit fort.
Für jeden fühlt sich Magie anders an,
für jede Frau und jeden Mann.
Doch eines sehe ich heute klar,
Magisch ist gleich wunderbar.“
„Ach, das ist so schön“, ruft Bianka Lammert, „das hast du super gemacht, und du hast so eine schöne Stimme!“ Bei Paula ist der Vortrag an sich nicht das Schwierige. „Ich bin ein wenig nervös, wenn ich das vorlesen muss“, sagt die Jugendliche. „Was passiert denn dann?“, fragt Bianka Lammert. „Ich zittere dann immer ein bisschen und ich habe das Gefühl, dass meine Stimme sich verändert.“ Bianka Lammert schaut sie an und legt ihre Hand auf die Schulter des Mädchens. „Man merkt dir das jetzt schon nicht an, aber wir machen noch ein paar Übungen, das bekommen wir hin.“
Professionelle Lockerheit
Die Schauspielerin, die seit 2006 bei dem Theater arbeitet, hat viel Erfahrung mit Kindern. Sie bilden ihr Publikum – und sie macht Workshops mit ihnen. „Mir macht das sehr viel Spaß, mit den Kleinen und Großen etwas zu machen. Und vor allem sehen wir dann ja auch die Erfolge, das ist wirklich beeindruckend.“ Bei den Proben mit den jungen Literatinnen und Literaten geht es ihr um mehrere Dinge: „Die Kinder müssen sich geistig und körperlich aufwärmen, damit sie an dem wichtigen Tag ein bisschen lockerer und entspannter sind. Das üben wir hier unter anderem“, sagt sie. Dabei ist es ihr wichtig, dass die Kinder die Stimmung ihrer Geschichte, ob lustig oder auch ernst, rüberbringen können. „Da darf dann von der Bandbreite der Lautstärke, des Tempos oder der Betonung alles dabei sein.“
In ein paar Tagen zeigt sich, dass Bianka Lammert recht hatte. Bei der Veranstaltung, bei der ein gutes Dutzend Kinder und Jugendliche ihre Texte vorstellen, sind Lina und Paula gut vorbereitet. Fast schon routiniert tragen sie ihre Texte vor, wie alle anderen auch. Und die Zuschauerinnen und Zuschauer sind begeistert, so wie Andrea Mertmann. „Die ganze Veranstaltung, von den Reden über das 40-köpfige Orchester des Gymnasiums bis zur Moderation, hat sehr gut funktioniert“, sagt die Bankmitarbeiterin. „Am tollsten aber waren wie immer die Kinder und Jugendlichen, die ihre Geschichten präsentiert haben. Das war einfach magisch.“