Wombicher Beck – diesen Namen kann man sich genüsslich auf der Zunge zergehen lassen. Es ist der Name der ersten Bäckereigenossenschaft Bayerns. Die Raiffeisenbank Main-Spessart wirkte personell und ideell an der Entwicklung dieses besonderen Betriebs mit und sorgte so für den Erhalt der Nahversorgung im kleinen Örtchen Wombach. Das ist innovativ, zukunftsweisend … und schmeckt gut. Und das allen Generationen. Insgesamt: ein herausragendes Beispiel dafür, wie Miteinander, Hilfe zur Selbsthilfe und genossenschaftliche Strukturen branchenübergreifend tragen, funktionieren – und wie zeitgemäß sie sind. Daumen hoch für dieses tolle, strukturprägende und Strukturen erhaltende Unternehmen. Das hat Zukunft!
Wenn Simon Riethmann nachts um eins in die Backstube kommt, hat er einen Arbeitsplan, der auf den ersten Blick gar nicht so einfach nachzuvollziehen ist. In einer großen Teigmaschine verrührt er Mehl, Hefe, Wasser und einige andere Zutaten. „Das ist der Teig für unser Hausbrot, das wir morgen backen“, sagt der 37-Jährige, während er schon zur nächsten Station geht. Dort liegt der Laugenteig, der schon eine Weile gegangen ist. Der Bäcker und Konditor, der 2014 seinen Meister machte und sein Handwerk schon seit 17 Jahren ausübt, formt längliche Portionen, die an den Enden dünner werden. Mit gekonntem Schwung legt er sie übereinander – eine perfekte Brezel entsteht. Weiter geht’s, im Ofen sind die ersten Brote fertig, die er schon am Vortag vorbereitet hatte.
„Brot ist meine Leidenschaft“
Langsam wird es richtig warm in der Backstube – aber Simon Riethmann und die beiden Gesellen, die ihn unterstützen, sind auch weiterhin guter Dinge. „Ich bin Bäcker geworden, weil Brot meine Leidenschaft ist“, sagt der Mann in der weißen, leicht vermehlten Arbeitskleidung. Deswegen ist Riethmann auch Brot-Sommelier geworden, eine Zusatzausbildung, die er 2019 absolvierte und bei der er nicht nur seine sensorischen Fertigkeiten weiterentwickelte, sondern sich auch umfassend mit der Brotkultur auseinandersetzte und verschiedene Brotspezialitäten kennenlernte. „Ich möchte den Menschen das Brot, das ich backe, und die besonderen Zutaten und Rezepte nahebringen“, erklärt Riethmann, warum er neben seiner Arbeit die aufwendige Ausbildung auf sich nahm.
Erste Bäckerei-Genossenschaft Bayerns
Mittlerweile ist es sechs Uhr, weiter geht’s mit dem Teig für ein Schrotbrot, das schwer zu verarbeiten ist, aber sehr lange frisch bleibt. Simon Riethmann ist hoch konzentriert, ihm macht es wenig aus, in den frühen Morgenstunden zu arbeiten. Für Bäcker gehört das zum Alltag. Der Ort, an dem er hinten in der Backstube steht, ist allerdings ein besonderer. Der Wombicher Beck, so heißt das Unternehmen, ist die erste genossenschaftlich organisierte Bäckerei in Bayern, mit drei angestellten Bäckern und drei Verkäuferinnen. Sie liegt an der Hauptstraße von Wombach, einem Ortsteil von Lohr am Main, in dem rund 2.000 Menschen leben. Simon Riethmann arbeitet gern hier: „Der Wombicher Beck ist unser gemeinsames Unternehmen und wir können hier gemeinsam etwas bewegen und auch das Handwerk in Wombach erhalten“, sagt der Bäcker, der auch selbst Mitglied der Genossenschaft ist.
Idee entstand aus einer Notlage heraus
Auch Dunja Przyklenk hat sich mit ihrer Familie mit sieben Anteilen zu jeweils 150 Euro an der Dorfgenossenschaft beteiligt, die die Bäckerei betreibt. Die Idee entstand aus einer Notlage heraus. „Der Bäcker, der in diesem Ladenlokal lange seine Waren angeboten hat, musste aus Krankheitsgründen leider schließen“, erzählt die Wombacherin, die gerade ein Hausbrot kauft, das ihr Simon Riethmann über die Theke reicht – wenn es voll ist, hilft er manchmal auch im Verkauf aus. „Hier im Dorf hat sich das schnell herumgesprochen und wir haben gemeinsam überlegt, was wir tun können“, sagt Dunja Przyklenk, die beim Kauf auch gleich auf ihrer Mitgliederkarte Bonuspunkte sammelt. Über Whatsapp-Gruppen und andere Kanäle fragen die Wombacher in der Gemeinde herum, wer wohl bereit wäre, Anteile zu zeichnen, zudem multiplizieren die Vereine und Stammtische in der Gemeinde das Ansinnen.
Quarktaschen, Hausbrot, Eierweck
Das Vorhaben funktioniert und das ganze Dorf ist glücklich, was auch an dem Kundenaufkommen abzulesen ist: Alle zwei Minuten kommt jemand in die Bäckerei, um Backwaren – vom Hefeteilchen bis zum Körnerbrot – einzukaufen. „Wir haben auch darauf geachtet, dass der neue Bäcker teilweise die Waren anbietet, die es auch vorher gab“, sagt Dunja Przyklenk und lacht: „Simon backt immer noch die Quarktaschen, das Hausbrot, den Käsekuchen und den Eierweck.“ Der Wombicher Beck erfüllt aber noch eine andere Funktion für Wombach: „Einen Bäcker im Ort zu haben, ist für alle Altersgruppen sehr wichtig“, erklärt Dunja Przyklenk. „Die Menschen besorgen hier die Brötchen fürs Frühstück oder die Brotzeit für die Arbeit, die Kinder kommen nach der Schule, um Süßigkeiten oder ein Eis zu kaufen – und auch für die älteren Menschen, die kein Auto haben, ist der Bäcker leicht zu Fuß zu erreichen. Sie sind somit nicht auf fremde Hilfe angewiesen.“
Bevor Dunja Przyklenk geht, stellt sie sich noch für ein kurzes Gespräch mit Hilmar Ullrich in die Morgensonne vor das Ladenlokal, auch das gehört dazu. Der gebürtige Wombacher ist einer von fünf Vorständen der Dorfgenossenschaft, in deren Gründung er eine Menge Know-how eingebracht hat. Für ihn war das selbstverständlich, aber es passt auch hervorragend zum Engagement seines Arbeitgebers. Im Hauptberuf ist er Bereichsleiter Marketing und Kommunikation bei der Raiffeisenbank Main-Spessart. „Ich bin im Besonderen für die genossenschaftliche Philosophie zuständig, zu der es auch gehört, solche Gründungen voranzubringen“, sagt Ullrich. Das Satzungsziel der Dorfgenossenschaft ist deshalb auch so offen formuliert, dass sie andere Aufgaben im Dorf übernehmen könnte. „Wir können mit solchen Initiativen die Identität von Orten wie Wombach stärken und zukunftsfähig gestalten“, erklärt Hilmar Ullrich.
Know-how-Transfer … und mehr
Die Raiffeisenbank Main-Spessart unterstützt die Genossenschaft neben dem Know-how-Transfer zudem noch auf andere Weise. Sie stellt zum Beispiel für alle Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat Räume in ihrem modernen Raiffeisen-Forum zur Verfügung und kauft die Backwaren vom Wombicher Beck für das Café Friedrich, das sie in dem Forum betreibt. Dorthin führt Simon Riethmann auch der letzte Weg seines mittlerweile langen Arbeitstages. In einen Gitterkorb hat er eine Bestellung gepackt, die er nun mit dem Auto zum Café fährt. Er ist nun zwar ziemlich müde, aber immer noch gut gelaunt. Ihn freut es, dass seine Backwaren in ganz Wombach so gut ankommen – und dass er mit seiner Arbeit seinen Teil zum Wir-Gefühl im Dorf beträgt.